Der PAGT, mein persönlicher ENDGEGNER

Der Pitz Alpine Glacier Trail 2020 (PAGT2020), mein Geburtstagsgeschenk von mir an mich zu meinem 40. Geburtstag. Es sollte DAS Abenteuer für mich werden. Leider wurde es mein ERSTES DNF(Did Not Finish).  Es hat nun fast vier Monate gedauert, um meine Erfahrungen in Zeilen zu schreiben. Nein, nicht wegen der Enttäuschung, denn die hält sich erstaunlicherweise in Grenzen. Denn Rückblickend überwiegt da mehr der Stolz, überhaupt so weit gekommen zu sein. Ich hab mich danach einfach leer gefühlt. Sehr leer. Und hinzu kam der Arsch namens Corona, der mich zusätzlich etwas gelähmt hat. Nun kann ich aber voller Freude diesen Bericht darüber schreiben, auch wenn sicherlich zum jetzigen Zeitpunkt einiges in Vergessenheit geraten ist. Schließlich bin ich jetzt schon 40, da arbeitet dasGehirn dann doch nicht mehr so gut, wie mit 39!!! ;-) Ich versuche aber dennoch mein ABENTEUER so gut es geht zu rekonstruieren!!!

 

Viel Spaß beim lesen!

 

 

Die Fakten:

 

Pitz Alpine Glacier Trail 2020

 

Datum:

07-09.August 2020

 

Strecken:

P105 Die Königsdistanz mit 6100  Höhenmetern

P90 Der Pitztaler Gletscher Ultra mit 5400 Höhenmetern

P60 Trail Experience mit 4000 Höhenmetern

P45 Glacier Trail mit 2800 Höhenmetern

P45 Rifflsee Trail mit 2450 Höhenmetern

P30 Taschachferner Trail mit 1600 Höhenmetern

P15 Zirbensteig Trail mit 850 Höhenmetern

 

Meine Wahl: P105. Start Freitag den 07.08. um 23.00 Uhr. Cut off Zeit 26 Stunden

 

Als ich 2019 bei meiner Laufplanung ein Highlight für den Sommer bezüglich meines 40. Geburtstages suchte, stieß ich relativ schnell auf den PAGT.  105 Kilometer mit 6100 Höhenmetern auf feinsten Trails. Das hörte sich doch nach einem geilen Abenteuer an!!! Kurz mit der Familie gequatscht und schon stand unser Urlaubsziel für den Sommer 2020 fest. Das Pitztal in Österreich! Sylvia war recht leicht dafür zu begeistern. Als Läuferin ist bei der Menge an verschiedenen Distanzen die beim PAGT angeboten werden logischerweise auch eine Strecke für sie mit dabei. Ihre Wahl viel auf den P15. 

 

Ich hatte also ein halbes Jahr Zeit, um mich auf diesen Lauf so gut es geht vorzubereiten. Geplant war der ein oder anderen Frühlingsmarathon, sowie einige Trail Veranstaltungen. Und dann kam Corona... Ein Lauf nach dem anderen wurde abgesagt oder verschoben. Die Vorbereitung lief also nicht so wie geplant. Ich war auch äußerst skeptisch, ob der PAGT überhaupt stattfinden würde. Also wurde aus einer Vorbereitung mit festem Ziel vor Augen eher so eine halbherzige, ungewisse Vorbereitung. Irgendwie deutete alles auf eine Absage hin. Dennoch konnte ich mich im Frühling zu 3 Training Marathons sowie einem Ultra mit 52 Kilometern und 2400 Höhenmetern aufraffen. 6 Wochen vor dem Start standen dann plötzlich und unerwartet die Ampeln auf grün! Der PAGT 2020 sollte also stattfinden!!! Mit gemischten Gefühlen ging es in die letzten 6 Wochen Vorbereitung. Trotz aller Corona bedingten Umstände fühlte ich mich ganz gut vorbereitet.

 

Was ebenfalls sehr spannend war, war das Beschaffen der vorgeschriebenen Ausrüstung. 

 

Folgendes war mitzuführen:

 

 – Mund-Nasenschutz (Buff, Schlauchtuch) - Faltschüssel bzw. kleine Schüssel für Essensausgabe an den Verpflegungsstationen - Mobiltelefon (Akku aufgeladen, Notfallnummer) - Trail Laufschuhe (griffige Sohle) - Funktionelle Laufbekleidung - Trinkbecher (es werden keine Becher ausgeteilt) - Personalausweis und Krankenversicherungskarte - Wechselbekleidung (langes Hemd und Hose) - Wasserdichte Jacke mit Kapuze und Überhose (Wassersäule 5.000 mm) - Warme Handschuhe und Mütze - Erste Hilfe Set mit Notfallausrüstung und o elastischer Binde (mind 100×6 cm) o Tape o Notfalldecke (alubeschichtet 140×200 cm) o Trillerpfeife - Streckenkarte - 1,5 Liter Flüssigkeit - Notfallverpflegung (mind. 2 Riegel oder ähnliches mit mind. 500 Kalorien) - Funktionstüchtige Stirn- und Rückenlampe mit Ersatzbatterie - Schuhspikes für Gletscher/Schneefelder, mindestens 0,75 cm lange Stahlspikes.

 

Puh, dass war eine Menge. Da ich nicht wirklich der erfahrene Trail Läufer bin/war und man meine bisherigen Teilnahmen an Trail Veranstaltungen an einer Hand abzählen kann, ist/war mein Equipment auch dementsprechend überschaubar. Das sollte sich natürlich ändern! Aber eines könnt ihr mir glauben, es war sehr interessant rumzuexperimentieren, wie alles an Ausrüstung in diesen kleinen 12 Liter fassenden Trail Rucksack passen sollte. Aber hey, was soll ich sagen, es hat geklappt. Mein komplett gepackter Rucksack hatte dann im Endeffekt ein Gewicht von 4,5 Kilogramm.

 

Urlaub wir kommen!!!

 

Mittwoch 05.08.2020

 

Wir haben uns für eine nette Unterkunft, 3 Kilometer von Mandarfen entschieden. Mandarfen ist der Ort, welcher dreh und Angelpunkt der Veranstaltung ist.

Ein Tag vor unserer Anreise hat es im Pitztal geschneit. Wir sind etwas schockiert darüber, schließlich soll es unser Sommerurlaub werden. Das Wetter wird aber zum Glück Tag für Tag besser und abschließend kann man darüber sagen, wir hatten perfektes Sommerwetter während unserer 10 Tage im Pitztal!

 

Das Pitztal. 

 

Landschaftlich atemberaubend und wunderschön. Von unserem Zimmer aus kann man ringsum die Berge bestaunen. Und mit Bergen meine ich auch Berge. Nicht wie der heimische Odenwald oder die Pfalz! Nein, hohe Berge! Wahnsinn!!!

 

2 Tage lang haben wir nun Zeit um uns mit der Umgebung vertraut zu machen, ehe am Freitag Abend um 23 Uhr der Start des P105 sein soll.

 

Freitag 07.08.2020

 

Heute ist es soweit! Mein großer Tag! Mein Abenteuer, auf dass ich mich sooooo gefreut habe!

Der Start soll um 23 Uhr erfolgen, dass bedeutete also, mitten in die Nacht rein zu laufen. Ich bin hin und her gerissen, was ich davon halten soll. Schließlich bin ich noch nie in der Nacht gelaufen. Ich bin aber auch noch nie 100 Kilometer am Stück gelaufen, geschweige denn habe ich 6100 Höhenmeter in einem Rennen zurückgelegt! Egal! Irgendwann ist immer das erste mal! 

Startnummernausgabe ist vormittags in Mandarfen. Alles Corona konform und top organisiert! An dieser Stelle Hut ab vor den Veranstaltern, die den Mut hatten trotz Corona eine wirklich geile Veranstaltung aus dem Hut zu zaubern!!! DANKE!!!

 

Danach fahren wir mit der Gondel zum Rifflsee. Plan ist es, vor dem Lauf ein wenig zu chillen und zu relaxen. Leider ist es an diesem Tag warm. Sehr warm. In der Sonne sicherlich über 30 Grad. Schließlich beschließe ich, wieder zurück in unsere Unterkunft zu gehen um mich etwas auf die Ohren zu hauen. Meine Frau und die Kids verbleiben noch etwas am Rifflsee und genießen die Ruhe ohne ihr Oberhaupt! ;-)

 

22.30 Uhr.

Wir sind am Ort des Geschehens. Mandarfen. Hier ist Start/Ziel bei allen Läufen. Um 23 Uhr soll der erste Startschuss der Veranstaltung fallen. Gemeinsam für die P105er und die P90er. Die 105er laufen 4 Loops. Nach jedem Loop kommen sie wieder in Mandarfen vorbei und haben die Möglichkeit an ihr dortiges Gepäckdepo zu gelangen.

 

22.50 Uhr.

Scheiße, was bin ich nervös!!! 105 Kilometer! 6100 Höhenmeter! Keine Ahnung was mich erwartet!

Ich stehe nun in der Startaufstellung. Beim P105 sind insgesamt 85 Starter gemeldet. Es wird in Blöcken gestartet. Ich habe eine Zielzeit von 20 Stunden angegeben. Somit starte ich im 2. Block bei den Ambitionierten Läufern. Im ersten startet die Elite, im letzten die Genussläufer.

So langsam bekomme ich weiche Knie...

 

23.00 Uhr.

Der erste Start erfolgt. Ich bin nun motiviert! Ich bin heiß! Ich möchte nun endlich auf die Strecke!

 

23.10 Uhr.

BÄNG!!! Es geht los! Endlich! Der Abend hat angenehme Temperaturen. Ich trage kurz kurz. Mein Equipment sitzt perfekt. Der Rucksack sitzt wie eine zweite Haut, die 4,5 Kilogramm Zusatzgewicht machen sich überhaupt nicht bemerkbar.  Meine extra für diesen Lauf gekauften Schuhe passen super! Ich fühle mich gut und bin absolut optimistisch, das Ziel zu erreichen!

 

Loop1

Der erste Loop ist circa 16 Kilometer lang und hat es vom Start weg absolut in sich.

1200 Höhenmeter geht es sogleich bergauf. Und das am Stück. 5 Kilometer lang. Puh, ein Brett! Anfangs ist der Untergrund recht harmlos. Wald, Wurzeln, einige Steine. Aber dann. Dann kommt etwas, was ich überhaupt nicht auf dem Schirm habe. Steine. Große Steine. Immer größer werdende Steine. Felsen. Und nichts ist da fest. Alles locker. Jeder Schritt ist volle Konzentration angesagt. Ein mal nicht richtig hingeschaut machts bum. Dann liegst auf dem Felsen und schlägst dir alles auf! Es ist immer noch dunkel. Ich hab bloß das Licht meiner Stirnlampe und dass der anderen Läufer. Alter, alter. Damit hab ich echt nicht gerechnet. Heftig! Aber, ich gewöhn mich daran! Relativ schnell sogar! Und irgendwann macht das Rumgehopse sogar richtig Spaß! Aber weiterhin ist 100% Konzentration angesagt! Ein falscher Schritt und dass Ding ist beendet! Nach einer gefühlten Ewigkeit bin ich dann am Höchsten Punkt der Strecke angelangt. Die Mittagskogel Scharte. 3070 Meter hoch. Ein geiles Gefühl. Hier oben ist es etwas kälter, aber absolut okay. Ich laufe immer noch in kurz kurz. Jetzt geht's erst einmal runter. Der Untergrund hat sich leider nicht wirklich verändert und lose Felsen im Downhill zu laufen benötigt noch mehr Konzentration als Uphill...

Kurze Zeit später kommt ein weiteres Highlight. Die Gletscher Überquerung. Hierfür sind in der Pflichtausrüstung extra Schneeketten vorgeschrieben. Zack,  die Dinger über die Schuhe gezogen und ab über den Gletscher. Ich denke es sind circa 600 Meter. Absolut easy! Mit den Snowline Spikes ist es so, als wenn man auf Waldboden läuft. Dann geht es noch kurz steil hoch zur Braunschweiger Hütte, ehe es im Anschluss 5 Kilometer im Downhill Richtung Mandarfen geht. Die letzten paar Kilometer führen dann endlich mal über einen Forstweg und man kann nun etwas Gas geben. 

Dann komme ich in Mandarfen an und der erste Loop ist Geschichte! Es lief echt gut und im nachhinein hab ich in den Ergebnislisten gesehen, dass ich nach diesem Abschnitt auf Platz 29 lag. Nun heißt es kurz verpflegen, ausruhen und die Schneeketten aus dem Rucksack räumen, denn diese werden nicht mehr benötigt.

 

Loop2

Und weiter geht's!!!

Dieser Loop ist circa 28 Kilometer lang.

Gleich zu beginn geht es knackige 600 Höhenmeter Richtung Rifflsee hoch. Diesmal aber "leichteres" Gelände. Aber Steil. Sehr steil! Dieser Abschnitt kommt im letzten Loop nochmals vor.  Der Rifflsee ist einzigartig! Wunderschön! So stelle ich mir das Paradies vor! Langsam wird es hell. Sonnenaufgang inmitten der Berge! Wie romantisch! Links von mir grüne Wiesen, rechts von mir Berge! Wasserfälle dringen aus den Felsen heraus. Die Strömung hat ganz schön Kraft. Wunder wunder schön! Ein Traum! Ich fühle mich zu diesem Zeitpunkt sau gut! Circa 2500 Höhenmetern in den Beinen, fast ein viertel der Strecke hinter mir. Beine gut, Körper gut, rundum zufrieden!

Es kommen nun 13 wellige Kilometer Richtung Taschachalb auf mich zu. Ein ständiges auf und ab. Landschaftlich wunderschön. Viel Grün, eine atemberaubende Aussicht. Kühe, Pferde, Natur Pur! Es ist inzwischen hell! Der morgen ist da. Ich habe gerade die Nacht durchgemacht. Eigentlich bin ich nicht müde. Mein Kopf fängt aber an zu arbeiten. Ich muss nun öfter gehen, auch auf Geraden, wo ich normal laufen müsste! Immerhin gibt es ein Cut off. Keine Ahnung wann der  ist. Keine Ahnung wie ich zeitlich liege.  Darüber habe ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht. Einige würden mir jetzt Arroganz vorwerfen. Bisher habe ich lauftechnisch aber immer alles geschafft. Meist im vorderen Drittel. Ich, Dennis Kühlwein, muss mir doch keine Gedanken über einen möglichen Cut off machen! Ich doch nicht!!! Depp du! Komm mal wieder auf den Boden der Tatsachen! Das hier ist ne Nummer zu groß für Dich! Und genau jetzt passiert etwas, womit ich überhaupt nicht gerechnet habe! Mein Kopf spielt nicht mehr mit! Mental bin ich gerade überhaupt nicht auf der Höhe. Fuck, was ist mit mir los!? Ich bin gerade mal bei Kilometer 30 und denke über Ausstieg nach!!! Ich bin platt! So früh im Rennen. Keine Ahnung was  da los ist! Echt nicht! Pause! Ich mache nun erstmal eine Pause. Ich suche mir ein schattiges Plätzchen auf einem Felsen, was nicht gerade leicht ist. Die Sonne ist inzwischen am Himmel und für August hat sie natürlich viel Kraft. Und hier oben gibt es keine Bäume. Nur Felsen. Ich hasse Felsen! Ich hasse Berge!!! Endlich, ein schattiges Plätzchen. Hier setzte ich mich für 5 Minuten hin. Nehme ein Gel zu mir, trinke ordentlich. Ich mache mir zu diesem Zeitpunkt viele Gedanken! Aber eines wird mir klar. Ich werde hier  sicherlich nicht bei Kilometer 30 aussteigen! Diese Schmach gebe ich mir nicht! Also geht's weiter! Und siehe da, ich fang mich wieder! Meine Lebensgeister kommen  zurück! ICH BIN WIEDER DA!!!

Bei Kilometer 34 kommt ein schwieriger Streckenabschnitt. Mit Klettersteig! Yeah, es macht endlich wieder Spaß!!! Geil!!!

Beim nächsten VP lerne ich Andre kennen. wir kommen ins Gespräch und verstehen uns auf Anhieb recht gut. Wir beschließen ein Stück gemeinsam zu laufen. Nun geht es 10 Kilometer Downhill Richtung Mandarfen. Andre ist ein erfahrener Ultraläufer. Er hat schon den ein oder anderen 100er gefinisht. Seine 10 Kilometer Zeit liegt bei 36 Minuten und den Marathon ist er schon unter 3 Stunden gelaufen. Sein aktuelles Ziel ist ein 100er auf Asphalt in unter 10 Stunden zu laufen. Aber hier hat auch er Probleme. Vorm ersten Cut off ist er gerade so noch reingekommen. Er bestätigt mir, dass dieser Lauf hier ein ganz besonderer ist. Nämlich ganz besonders hart und technisch sehr anspruchsvoll. Er belächelt mich etwas, als ich ihm erzähle, dass dies mein erster 100er werden soll. Ich sehe Mitleid in seinen Blicken! Wir tun einander zu diesem Zeitpunkt echt gut und lenken uns gegenseitig ab. Bei Kilometer 45 kommen wir in Mandarfen an.

Loop2 ist somit Geschichte. Wir haben fast 2 Stunden bis zum Cut off. Also alles im grünen Bereich!!!

 

Loop 3

Dieser Loop umfasst 30 Kilometer.

Auf den ersten 5 Kilometern geht es über 1000 Höhenmeter hinauf.  Andre ist immer noch an meiner Seite. Der erste Anstieg geht durch Wald. Guter Untergrund, Bäume und relativ viel Schatten. Inzwischen ist die Sonne sehr kraftvoll. Sie brennt. Mir wird klar, dass dieser Anstieg hinauf zur Kaunergrathütte richtungsweisend wird. Der erste Abschnitt läuft richtig gut, wir haben einen weiteren Läufer bei uns und wir quatschen viel. Wir laufen neben einem atemberaubenden Wasserfall hoch. Wow, ich bin beeindruckt! Eigentlich geht's mir gut!

Noch... Denn irgendwann haben wir eine Höhe erreicht, in der es keine Bäume mehr gibt! Hier könnte man Problemlos einen Film über den Mond drehen. Eine karge Landschaft. Felsen, ab und an ein kleiner Bach. Die Sonne brennt. Mein Wasservorrat wird stetig weniger. Nach einiger Zeit sehen wir am Horizont eine Hütte. Das ist die Kaunergrathütte. Unser Etappenziel. Aber diese Scheiß Hütte kommt und kommt nicht näher! Es wird immer heißer! Ich bin ständig am trinken. Im Wechsel läuft mal Andre einige Meter vorne dann ich. Oft bleiben wir stehen, weil wir nicht mehr können. Sehr oft. Und leider immer öfter. In der Ferne sieht man weitere Läufer. Inzwischen sind auch Läufer des P60 bei uns in der Nähe. Die Glücklichen haben es bald geschafft! Ich nicht! Ich habe noch die Hälfte vor mir! Nein, ich habe nicht schon die Hälfte geschafft, ich bin erst bei der Hälfte angekommen!!! Mein Kopf schon wieder! Mental kommt nun mein zweites Tief, dass noch tiefer ist als mein Erstes! Eine Kurve nach der anderen. Diese verdammte Hütte kommt einfach nicht näher! Es ist heiß! Mein Wasservorrat ist fast leer. Ich möchte nicht mehr! Ich bin am Ende! Ich versuche die Taktik wie beim ersten Tief. Hinsetzten, ein Gel einnehmen. Ich lasse Andre ziehen. Wobei ziehen ist das Falsche Wort. Er ist auch ziemlich platt. Die Pause war diesmal leider nicht so wirkungsvoll wie bei meinem ersten Tief. Aber ich kämpfe. Wie ein Löwe. Ich überlege mir aber auch, an der Hütte oben auszusteigen, falls ich jemals dort oben ankommen werde.  Gefühlte Stunden später komme ich endlich an.  Oben erfahre ich, dass ich letzter bin. Hinter mir ist nur noch der Besenläufer. BÄM! Das hat gesessen! Ich bin eine Pfeife! Ich bin letzter! Lahmarsch! Was ist bloß  los mit dir??? Was sollen deine Kinder über dich denken? Was deine Teamkollegen? Ich habe bisher alles geschafft was ich in Angriff genommen habe, zumindest aus sportlicher Sicht. Als mir ein älterer Herr an der Hütte erzählt, dass ich halt zu langsam bin und der Erstplatzierte schon vor 8 Stunden hier vorbei gekommen ist, bin ich endgültig kaputt! Hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass ich letzter bin, da die anderen hinter mir aufgegeben haben und der Sieger kein geringerer  als Hannes Namberger ist, der das Ding mit neuem Streckenrekord gefinisht hat, ja dann, dann sehe die Situation vielleicht etwas anders aus für mich. So aber war ich einfach nur down. Als ich in knapp 3000 Metern Höhe auf einer Bank an der Kaunergrathütte sitze, denke ich ernsthaft darüber nach, wie ich JETZT aussteigen kann. Leider bin ich aber irgendwo im nirgendwo. Hier kommen keine Autos hin. Kein Lift. Keine Gondel. Egal wie man das Blatt dreht und wendet, hier muss man zu Fuß runter. Oder aber mit dem Hubschrauber und diese Blöße will ich mir nicht geben! Also heißt es weitermachen! Ich versuche mir die Situation schön zu reden und sage zu mir, Dennis, jetzt bist du an der Hütte, von hier geht's endlich runter... Pustekuchen!!! Denn jetzt, genau jetzt, kommt der schwierigste Abschnitt der gesamten Strecke. Zu erst geht es einen schmalen Pfad weiter nach oben, eigentlich war da gar kein Pfad. Ein falscher Schritt und es geht 600 Meter nach unten. Um mich herum Geröll und Felsen. Das würde nicht gut enden. In meinen Gedanken liege ich schon unten im Geröll und keiner bekommt es mit. Da war ja auch keiner mehr. Weit und breit keine Sau mehr zu sehen. Andre sehe noch ich ab und zu am Horizont aber auch nur ganz unscharf. Zu diesem Zeitpunkt habe ich teilweise echt Angst um mein Leben! Ohne Scheiß! Ich frage mir, was ich da eigentlich mache??? Ich habe Frau und 2 Kinder! Wenn ich jetzt abschmiere, dann wars das!!! FUCK!!! Und es wird noch abenteuerlicher. Wenig später kommt ein schwieriger Klettersteig. Unter meinen Füßen ist nichts mehr. Wenn mich jetzt die Kraft verlässt bin ich weg. Aber irgendwie hab ich es überlebt. Und endlich den Zweithöchsten Punkt der Strecke erreicht.

YESSSS!!!

Nun komme ich an einem Punkt vorbei, an dem ein Streckenposten steht. Dieser teilt mir mit, dass ich noch 2 Stunden bis zum nächsten Punkt habe. Ansonsten bin ich raus. In meinem Kopf war ich eigentlich schon raus. Der Streckenposten ist weiblich und durch und durch positiv gestimmt. Die Dame redet mir gut zu und motiviert mich sehr stark. Meine Entscheidung steht nun fest. Entweder ich schaffe den Cut off bis 16 Uhr, dann mache ich weiter, schaffe ich es nicht, steige ich eben aus. Nun mobilisiere ich nochmal alle Kräfte und baller den Downhill im Rahmen meiner Möglichkeiten regelrecht runter. Eigentlich läuft es wieder recht gut bei mir. Außer das ich immer diesen einen Gedanken im Kopf habe: "Dennis du bist letzter, gleich holt dich der Besenläufer ein"... Eine scheiß Situation. Inzwischen habe ich knapp 60 Kilometer mit 4500 Höhenmetern in den Beinen. Meinem Körper geht es erstaunlicherweise immer noch gut. Klar bin ich platt! Aber ich habe keine Schmerzen, was mich positiv stimmt. Und dann sehe ich eine Hütte am Horizont. Ich schaue auf meine Uhr. 15.50 Uhr. Noch zehn Minuten. Das schaff ich!!! Ich mobilisiere wirklich nochmal alles und bin tatsächlich kurz vor vier dort. Dann die Enttäuschung. Die Hütte ist leer. Der nächste Punkt muss hinter dem nächsten Hügel sein. Ich bin schwer enttäuscht. Das werde ich nicht mehr schaffen. Zugleich bin ich aber auch froh, dass ich endlich aussteigen kann. Nun komme ich am VP an. 6 Minuten überzogen. Die Streckenposten wären bereit mich weiter laufen zu lassen. Ich überlege kurz, habe aber ehrlich gesagt mit dem Rennen bereits abgeschlossen. Ich bin froh gesund geblieben zu sein und mich nicht verletzt zu haben. Ich freue mich auf meine Familie! Das doofe ist leider, auch hier kommt kein Auto hoch. Das bedeutet, ich muss noch circa 5 Kilometer nach unten laufen. Dafür benötige ich nochmals über eine Stunde. Unten angekommen ist ein VP und eine Bank. Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass es jetzt endlich fertig ist. 64 Kilometer, 4500 Höhenmeter und 18 Stunden war ich unterwegs. Ein Abenteuer! Ein richtig geiles Abenteuer! Leider ohne Happy End! Am VP treffe ich einen Bekannten, mit dem ich vor 4 Jahren einige Kilometer beim Burgwald Ultramarathon gemeinsam gelaufen bin. Er ist dieses Jahr beim PAGT nicht gestartet, war aber letztes Jahr beim 105er am Start. Auch er musste bei knapp 50 Kilometer raus. Auch er hat mir nochmals bestätigt, dass das hier ein ganz besonders hartes Ding ist und ich überhaupt nicht traurig sein soll. Eher stolz auf das Erreichte! Und genau das bin ich. STOLZ AUF MEINE LEISTUNG!!!

 

Als ich in der Unterkunft meine Frau und Kinder umarmen darf, rollen einige tränen. Aber nicht wegen der Enttäuschung. Ich bin einfach nur froh, gesund geblieben zu sein!

 

Meine Reaktion einen Tag nach meinem Lauf fällt ernüchternd aus. Schuster bleib bei deinen Leisten. Dieser Lauf ist eine Nummer zu groß für mich! Wenn überhaupt wieder, dann den P60.

 

Wieder einen Tag später sieht die Welt erneut anders aus. Ich schmiede bereits Pläne, wie ich das Ding schaffen kann. 

DAS IST MEIN ENDGEGNER! 

Auch Endgegner sind nicht unbesiegbar!!!

 

Andre hat den P105 leider auch nicht schaffen können. Allerdings konnte er in die Wertung des P90 laufen, was mich riesig freut!

 

Bei dem  P105 konnten schlussendlich 22 Läufer und 2 Läuferinnen finishen, von 85 gestarteten Läufern. Ich denke diese Zahl sagt genug über diesen Lauf aus.

 

Sylvia konnte den P15 problemlos finishen und hatte sogar Spaß dabei! Sie überlegt beim nächsten mal den P30 zu laufen!

 

@PITZ ALPINE GLACIER TRAIL,

um es mit den Worten von Arnold Schwarzenegger auszudrücken:

ICH KOMME WIEDER!!!!!!!!!!!!

 

Run Dirty & Be Unstoppable